Jochen Herdrich, Partner BonVenture; Angela Lawaldt, Partnerin BonVenture; Dr. Erwin Stahl, Managing Partner BonVenture

Impact-Investing ist im Trend. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Wie schneiden Impact-Fonds im Vergleich mit klassischem Venture Capital ab? In „wir“, dem Unternehmermagazin der F.A.Z.-Gruppe, sprachen unsere drei Partner*innen Angela Lawaldt, Erwin Stahl und Jochen Herdrich zu Markt, Wirkungsmessung und Performance.

(Zum Original-Artikel im wirmagazin gelangen Sie hier.)

 

Was ist die Definition von Impact Investing? Woran können sich Unternehmer*innen und Investor*innen orientieren?

Jochen Herdrich: Impact Investing will mehr als finanzielle Rendite. Zusätzlich zur finanziellen soll es eine messbare gesellschaftliche Rendite erzeugen, und zwar in Form von ökologischem oder sozialem Mehrwert. Eine allgemeingültige Definition gibt es aber nicht.

Angela Lawaldt: Und das ist eine Herausforderung für den Markt, denn Impact Investing war in den letzten Jahren so erfolgreich, dass der Begriff jetzt vielem angeheftet wird, was ein wenig Nachhaltigkeit ins Investment bringt. Zum Beispiel für Nachhaltigkeitsfonds oder ESG-Fonds. Aber das ist nicht die eigentliche Idee von Impact Investing.

 

Was ist denn der Unterschied?

Erwin Stahl: ESG erfasst die Produktions- und Arbeitsbedingungen eines Unternehmens und versucht, dort so wenig Schaden wie möglich zu verursachen. So wie zum Beispiel eine Serverfarm, die ihren CO2-Ausstoß misst und neutralisiert. Das kann ein nachhaltiges Investment sein, aber kein Impact Investment. Denn Impact-Unternehmen geht es nicht um Schadensminimierung – sie haben ein Geschäftsmodell, das per se ein gesellschaftliches Problem löst.

 

Haben Sie ein Beispiel dafür?

JH: Ja, Frischepost: Im Online-Shop bestellen Stadtbewohner ihre Nahrungsmittel von verschiedenen lokalen Bauernhöfen, Frischepost bringt die Einkäufe im Elektroauto an die Haustür oder ins Büro. Kunden erhalten Transparenz über ihre Nahrungsmittel, die Produzenten bekommen mehr vom Endpreis und damit finanziellen Spielraum, um nachhaltiger zu wirtschaften. Jede Bestellung führt zu einer regionaleren und nachhaltigeren Landwirtschaft und gleichzeitig zu Umsatz bei Frischepost.

 

Sind ESG-Fonds nur ein grüner Anstrich?

AL: Nein. Sie bewegen das Investing in Richtung Nachhaltigkeit und das ist gut so. Investorinnen und Investoren müssen sich fragen: Was will ich? Ist die Wirkung der Geschäftsidee selbst nicht so wichtig, sondern eher, dass die Unternehmen nach ökologischen und sozialen Mindeststandards arbeiten? Dann sind ESG-Fonds in Ordnung. Oder sollen die Firmen mit ihrem Geschäftsmodell proaktiv und unmittelbar zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft beitragen? Dann muss ich Impact Investing wählen.

 

Liegt es nicht im Weltbild des Betrachters, was gut für die Gesellschaft ist?

JH: Klar. In der Impact-Investing-Branche verständigt man sich deswegen zunehmend auf die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen als Leitbild. Was zu diesen weltweit gültigen Zielen nachweislich beiträgt, gilt dann als Impact-Unternehmen.

 

Das sind hohe Ansprüche. Wie kann man sicher gehen, dass die auch erfüllt werden?

ES: Impact-Fonds müssen unserer Ansicht nach eine Impact-Analyse für jedes Unternehmen machen und Indikatoren für die Wirkungsmessung festlegen.

JH: Am Beispiel der AfB social & green IT lässt sich das erklären: Das Unternehmen bringt behinderte Menschen in reguläre Arbeit, indem sie gebrauchte IT-Geräte aufbereiten und als Secondhand-Ware verkaufen. Jedes verkaufte Produkt vermeidet eine Neuproduktion. Unsere Indikatoren für die Impact-Messung sind in sozialer Hinsicht die Zahl der Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung und in ökologischer die Anzahl der angenommenen gebrauchten IT-Geräte sowie die eingesparten Treibhausgase, Energie und Rohstoffe.

AL: Bei Volunteer Vision etwa, einem Anbieter von digitalem Mentoring für Menschen am beruflichen Übergang – zum Beispiel für Jugendliche, die eine Ausbildung oder Arbeit suchen – messen wir, wie viele Jugendliche mit den digitalen Angeboten erreicht wurden und es wird bewertet, was sie im Mentoring gelernt haben: Wie haben sich ihre Bewerbungs-Skills verbessert, wie gut können sie jetzt Deutsch oder Englisch?

JH: Daneben gibt es ein paar Dinge, auf die man achten kann: Die sozialen oder ökologischen Ziele müssen im Gesellschaftervertrag stehen. Die Gewinnbeteiligung des Fonds-Managements sollte von der Erreichung der Wirkungsziele abhängen. Außerdem kann man sich an der europäischen EuSEF-Verordnung orientieren: Wer dort registriert ist, darf nur Impact-Investing tätigen. Das ist das Erste in der Branche, was man als Label bezeichnen kann.

 

Wie schneiden Impact-Fonds im Vergleich zu herkömmlichem Venture Capital ab?

ES: Da unterscheidet sich Impact Investing nur wenig. Tendenziell haben Impact-Unternehmen ein geringeres Ausfallrisiko, dafür aber auch eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit für einen “Verhundertfacher”. Auf Fonds-Ebene führt diese Kombination letztlich zu sehr guten Renditen.

 

Können Sie Zahlen nennen?

ES: Bei den über 50 Impact-Unternehmen die wir inzwischen begleitet haben, war die Ausfallrate nur zehn Prozent. Unser zuletzt aufgelegter Fonds hatte ein Renditeziel von 3–5 Prozent bei zehn Jahren Laufzeit – nach sechs Jahren liegen wir bei etwa 10 Prozent. Viele Impact Unternehmen haben sich in der Krise deutlich besser entwickelt als der Durchschnitt. Das persönliche Commitment der Impact-Unternehmer zu ihrer Mission macht die Unternehmen resilienter.

JH: Unser Ziel im Impact Investing ist es ohnehin nicht, nur den High-Performer zu pushen und alle anderen hinten liegen zu lassen. Wir wollen alle ins Ziel bringen, weil sie alle Wirkung generieren.

Kann ein Impact Unternehmen genauso viel Gewinn machen wie ein herkömmliches?

JH: Ja, kann es. Impact-Unternehmen müssen kein extra Geld für ihren Impact aufwenden. Das mag so sein bei ESG-Investments, denn da muss vom Umsatz etwas in die Schadensminimierung oder -prävention fließen. Aber bei echten Impact-Unternehmen werden Umsatz und Wirkung beide durch das Angebot erzeugt, hängen also untrennbar zusammen. Je mehr Umsatz, desto höher auch die Wirkung, da der Social Impact Kern des Geschäftsmodells ist. AfB beispielsweise macht über 65 Millionen Jahresumsatz und hat mehr als 500 Angestellte, davon knapp die Hälfte mit Behinderung.

 

Was sind die Faktoren zum Gelingen eines Impact-Unternehmens?

AL: Ähnliche wie bei allen jungen Unternehmen: Ein flexibles Gründerteam, das schnell auf den Markt reagiert und sein Angebot schnell adaptiert. Offenheit, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, sich Netzwerk und Unterstützung zu holen.

ES: Vor allem muss das Angebot erstklassig sein und sich im Markt durchsetzen. Wenn ein Produkt nicht reibungslos funktioniert, sich nicht gut anfühlt oder nicht schmeckt, dann wird es auch nichts – da kann der Impact noch so groß sein. Die Unternehmen müssen so professionell wie möglich aufgebaut und skaliert werden.

 

Ist Impact Investing eine Nische oder findet gerade ein Wandel in der „Philosophie“ der Anlagestrategie statt?

AL: Wir befinden uns in einer Zeitenwende: Menschen machen sich Gedanken hinsichtlich der Wirkung ihres Handelns. Das beobachten wir seit einigen Jahren, und die Bewegung um Fridays For Future hat das nochmal beschleunigt. Deswegen starten auch immer mehr junge Gründer in dem Bereich und die sogenannten “NextGens” investieren hier stark.

JH: Wie meistens in Gesellschaften kommen viele neue Impulse von Jüngeren. Aber das Entscheidende ist: Auch die, die schon länger dabei sind, ziehen jetzt nach. Vermögende Leute bauen für ihre Kinder Depots auf und fragen sich: Wollen wir unseren Kindern wirklich Investments vererben, die zum Beispiel Erdöl, Überfischung, Ausbeutung oder andere globale Schieflagen fördern? Wofür sollen sie sich dann bei uns bedanken? Dass wir ihnen ein paar Euro überlassen und dafür den Planeten zerstört haben?

ES: Abgesehen davon, dass das auch für die Kinder finanziell nicht gut ausgehen würde…

AL: Stimmt. Der Punkt ist: Wir brauchen die Menschen mit den richtigen Mindsets, die verstehen, dass wir auch auf neuen Wegen erfolgreich wirtschaften können. Egal aus welcher Generation sie kommen.